Mittwoch, 19. Januar 2011

Menschen 3 - Nachbarn

Ja, ich habe Nachbarn. Hinter jeder Türe meines Wohnhauses verbirgt sich ein anderer besonderer Mensch. Da vermutlich auch Sie Nachbarn haben, kennen Sie ja vielleicht die eine oder andere Person.

Der Eloquente: Wenn man gerade besonders im Stress ist und es eilig hat, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, auf den eloquenten Nachbarn zu stoßen, der einem schon von Weitem mit einem freudigen: „Hallo, Grüß dich, Servus!“ erwartet. Begeht man den Fehler und grüßt zurück, so löst dies automatisch einen 20minütigen Vortrag des Eloquenten aus, den man zu unterbrechen besser unterlässt, da dies die Dauer des Monologes nur verlängert. Natürlich ist man mehr als froh, endlich auch über schwerwiegende Probleme wie die neue Anordnung der Tonnen im Müllraum, den Tod der Drittkatze des Hausmeisters, das zu dieser Jahreszeit besonders starke Rheuma und das im 4. Stock aufgefundene einfach so weggeworfene Minz-Zuckerl informiert zu werden. Es ist schier unmöglich seinem Wortschwall zu entkommen, gerne versperrt er einem auch den Weg, um ein Vorbeihuschen allenfalls zu verhindern. Mein Tipp: bequeme Haltung einnehmen, Tasche abstellen und das Beste hoffen.

Der Keppler: Der Keppler regt sich gern auf und ist hinsichtlich der Gründe fürs Aufregen recht flexibel. Im Prinzip braucht er nicht mal einen Grund, gibt es doch immer irgendwas zum Jammern. Verständnis für lärmende Kinder am Spielplatz hat er nicht, ist er doch selbst schon als Erwachsener auf die Welt gekommen. Der Gehweg gehört vom Hausmeister ab dem Auftreffen der ersten Schneeflocke gestreut und jedes vom Baum auf den Asphalt herabfallende Blatt ist sofort zu entsorgen. Geräusche aller Art sind tunlichst zu vermeiden. Beim Musikhören sind die Fenster zu schließen, nein, korrigiere: Musik hören ist verboten. Ebenso laute Gespräche sowie mittellaute und leise Gespräche. Recht machen kann man‘s ihm nicht, jeglicher Versuch wird abgeschmettert. Versuchen Sie’s gar nicht, er wird auch die verstecktesten Fehler finden, trainiert dies ja auch täglich in der Rätsel-Krone und beim Heute-Sudoku.

Die 7-köpfige Familie: Schon von weitem ist die Eingangstür in ihr Reich anhand der unzähligen scheinbar in der Wohnung nicht mehr Platz findenden Schuhe und einigem Gerümpel am Gang erkennbar. Frühmorgens, wenn man sich gerade auf den Weg ins Büro begeben möchte, kann man einen gröberen Zusammenstoß mit der gerne auf fremden Türdacken spielenden Melanie-Sophie, einer der Sprösslinge, nur knapp vermeiden. Freundlich wird man jedoch von der überforderten Mutter mit: „Geh Meeeeellii, herst, jetzt komm aber heeer!“ gegrüßt und begibt sich auf den Weg zum Lift, wo Justin schon ungeduldig auf Mama und Schwester wartet und wütend mit dem Schuh schwarze Streifen an die Wand malt. Rasches Einsteigen in den Aufzug hilft übrigens nicht, da hier Kevin und Patrick lauern und große Freude daran finden, auf alle Knöpfe gleichzeitig zu drücken. Raoul-Severin fällt einstweilen gerade samt Tretroller vom 2. in den 1. Stock die Stufen herunter. Ständig frage ich mich, wann es endlich zum großen TV-Auftritt im Rahmen intellektueller ATV-Sendungen kommen wird.

Der Heimwerker: Er ist einer meiner Lieblinge, weckt er mich doch des Öfteren sonntäglich so um 8:07 herum mit dem mehr oder weniger sanften BBRMMMMBRRRMMMMMMMMNNNN seiner Bohrmaschine. Besonders schätze ich seine Lieblings-Bohrzeiten welche neben meinem persönlichen Favoriten Sonntagmorgen noch Mo-Mi ab 19:15h und Do ab 19:45h umfassen. Zu meiner großen Freude scheint er sich des weiteren zumeist für die Trennwand zwischen unseren Wohnungen zu entscheiden, sodass ich auf der Couch gerade fernsehend nur Luftlinie 30cm vom Geschehen entfernt bin und somit das totale Dolby-Surround Erlebnis genießen darf. Angesichts der Häufigkeit der Bohrungen, warte ich nur noch auf das endgültige Durchbrechen der Wohnzimmerwand um ihn dann auch persönlich begrüßen zu dürfen. Auch kann ich nicht ausschließen, dass er hofft, in seiner Wohnung im Rahmen der Bohrungen auf Öl zu stoßen und spiele schon mit dem Gedanken einen Kanister Olivenöl in einer Wand zu verstecken.

Der Laute: Den lauten jungen Mann gibt es natürlich auch. Aus seiner Wohnung strömen Geräusche aller Art, spielt er doch mindestens 6 Instrumente und unterstreicht seine musikalische Gabe durch laufendes Proben. Hin und wieder werde ich das Gefühl nicht los, dass er auch Leistungsturner ist und des Öfteren das Springen von Einrichtungsgegenständen und den Felgeaufschwung an der Duschvorhangstange übt. Seine sportlichen und musikalischen Erfolge gehören gefeiert, er scheint gerne Besuch zu haben, beglückt seine Gäste mit Partys aller Art und ist auch dem Alkohol nicht ganz abgeneigt. Ich bin ja schon froh, wenn keiner seiner Gäste nach einer Party in den Lift speibt. Da ist mir das Detonieren an meiner Eingangstür weitaus lieber.

Ich mag meine Nachbarn.

© Eiki