Donnerstag, 28. Juli 2011

Wienerisch für Anfänger V


Morgen verlässt Eiki für ein Monat das Land und gurkt durch Südafrika – natürlich umso mehr ein Anlass sich gerade jetzt noch einmal eingehend mit der österreichischen Sprache zu beschäftigen. Auch in der mittlerweile fünften Einheit im Wienerischen wird wieder Licht ins Dunkel häufig gebrauchter Floskeln gebracht. 

I wü jo nix sogn: Diese auf den ersten Blick völlig harmlose Aussage birgt zahlreiche Gefahren, derer man sich zumeist nicht bewusst ist. Werte Leser, sollte ein Wiener “nix sogn woin“ dann will er paradoxerweise sogar sehr viel sagen! Zumeist ist hinter einem „i wü jo nix sogn“ nämlich ein „aber“ gestellt, was für den Zuhörer nichts besonders Gutes bedeutet. Sie sehen: wir Wiener haben die beneidenswerte Angewohnheit, Sätze mit „nix“ oder auch „ned“ zu versehen, mit denen wir eigentlich das genaue Gegenteil ausdrücken wollen. Jedes Mal wieder haut es fanatischen Germanisten imaginär das Aug‘ ein. Für alle, die tiefer in die Materie dringen wollen, sei das vor allem bei älteren Damen und Müttern beliebte „I wü mi jo ned aufdrängen…“  als zusätzliches Beispiel genannt. Hier will sich die Dame allenfalls aufdrängen! Weiters bitte ich Sie zu beachten, dass „ohne“ eine ebensolche Wirkung hat. Erwähnt sei hier beispielhaft „ohne mi aufregn z’woin“. Fazit ist, dass in Wien jeder Satz, der verneint ist oder ein „ohne“ enthält auch das genau Gegenteil heißen kann. Sie sehen, es ist ganz einfach mit uns Wienern… 

Hau de üba de Heisa: Wie Sie mittlerweile sicher wissen, bin ich Freund der gepflegten Wiener Verabschiedungen. Zuletzt widmeten wir uns dem mehr oder weniger freundlichen „moch an Schuach“, heute soll das bedeutungsverwandte „hau de üba de Heisa!“ behandelt werden. Das hochdeutsch übersetzt zunächst leicht verwunderliche „Haue dich über die Häuser“ ist eine der unzähligen wienerischen Äußerungen, mit denen das sofortige Gehen (Wienerisch „schleichn“) des Gegenübers erwirkt werden soll. Sollte Sie ein Wiener also ersuchen, sich über Häuser zu werfen, so ist zeitnahe Abstand zu selbiger Person zu suchen. Es gibt auch die Möglichkeit, dass Sie ein solides „Hau de üba de Heisa“ als Reaktion auf das Vorbringen einer Idee oder Bitte erhalten. Dies ist dahingehend zu interpretieren, dass der Wiener selbige Idee als eher nicht gut oder erstrebenswert empfindet. Bitte beachten Sie weiters, dass das vor allem im Wirtshausjargon gebräuchliche leicht adaptierte „hau de üba de Budl“ synonym verwendet werden kann.

Gsicht wia a Wirtshaustir: Wiener sind die Meister des gediegenen Beleidigens. Sollte ein Wiener Ihnen eine Person dahingehend beschreiben, dass sie „a Gsicht wia a Wirtshaustir“ habe, so handelt es sich um eine im Antlitz eher weniger attraktive Person. Der Vergleich wird hier charmanterweise mit einer alten, eingekerbten und abgenützten Wirtshaustüre gezogen. Zusätzlich erfreut sich diese Redewendung auch im Rahmen von Konfrontationen großer Beliebtheit. So ist beispielsweise ein nicht nur sprachlich hochwertiges „i prack‘ da glei ane, dosst a Gsicht wia a Wirtshaustir host“ eine gängige Methode um seiner Kraft wie auch Wut Ausdruck zu verleihen. Wie mich ein Freund unterrichtete, gibt es auch für den Fall, dass nicht das Gesicht, sondern der Körperbau einer Person von Wienern als weniger erstrebenswert erachtet wird, die Floskel „Gstö wia a drei moi gschwaaste Radlpumpn“. Auch hier gibt der Wiener intellektuell und wortgewandt seine tiefste Empfindung wider. 

I wü jo nix sogn, oba gerade in der Urlaubszeit, wenn man für kurz oder lang Wien und seiner sprachlichen Gewandtheit entfleucht, tut es doch gut, an wesentliche Vokabeln erinnert zu werden, oder?

Wie dem auch sei, ich für meinen Teil hau mi jetzt über die Heisa. 

© Eiki