Montag, 30. April 2012

Menschen 15 - Kellner

Bei solch Temperaturen ist die Schanigarten-Saison ja mehr als eröffnet. Höchst an der Zeit – gerade in einer Wirtshauskultur wie der Österreichischen – daher, ein paar Worte zur oft viel zu kurz kommenden Berufsgruppe der Kellner zu verlieren. Dankenswerterweise sind ja nicht alle einer der Kategorien zuzuordnen. Und Zuckerschlecken ist ihr Berufsleben vermutlich auch nicht. Umso wesentlicher die Spreu vom Weizen zu trennen…

Der Verwirrte: als Parade-Exemplar der PISA-Studie und sämtlicher Forschungen zum Thema Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom gelingt es dem Verwirrten gekonnt nicht nur Bestellungen zu vergessen oder gänzlich falsche Dinge zu bringen. Ein weit verbreitetes Phänomen ist auch das Unvermögen eine banale Addition im Rahmen des Bezahlens durchzuführen. Zuletzt wartete ich mit einem gut unter dem Tisch versteckten 5€ Schein gar mehrminütig gebannt auf das Ergebnis von 1,60 und 3,40. Warum gerade unter Jung-Kellnern die Verwirrten so weit verbreitet seien, lässt sich vor allem darauf zurückführen, dass man mit der Taktik nicht alt wird. Zumindest nicht als Kellner. Und bitte auch nicht bei meinem Merkur an der Kassa. Bitte!

Der Gemütliche: mit einem gemächlichen Schlendrian nähert er sich dem Tisch um nach gefühlten drei Stunden die Bestellung schließlich in Roman-Form niedergeschrieben zu haben. So ist es keine Seltenheit, dass die Aufzeichnung von zwei weißen Spritzern und einem Cola Light eine längere Mitschrift ergibt als 2h Lehrveranstaltung „Systemische Betrachtung der Integrierten Kommunikation“. Kurz nachdem auf den Extremitäten des Gastes bereits erste Austrocknungserscheinungen sichtbar werden, kann selbiger schließlich auch mit dem ersten Getränk rechnen. Das Essen wird zudem grundsätzlich erst serviert, wenn jeder am Tisch schon mit leicht kannibalischen Anwandlungen seine Mitmenschen begutachtet. Bitte gehen Sie mit Sonderwünschen sparsam um! Ihren extra heißen Bio-Cappuccino mit zart geschäumter Light-Soja-Milch wird’s hier in den nächsten 14 Tagen nicht spielen...

Der Umschütter: Dem Namen mehr als gerecht werdend neigt der Umschütter zum Verteilen von ess- und trinkbaren Köstlichkeiten auf Tisch, Boden und Kleidung diverser Gäste. Gerade in Momenten wo man es mit einem weißen Hemd still triumphierend geschafft hat, Spaghetti Bolognese mit Kernöl Salat fleckfrei zu konsumieren, schlägt er mit der Naschspeise eiskalt zu. Und lasst uns ehrlich sein: wer freut sich nicht über etwas Schokosoße im Bauchnabel? Besonders interessant ist außerdem die Tatsache, dass gerade das Tragen von hellen T-Shirts direkt proportional zur Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Umschütters ist. Ich persönliche habe ja schon Momente in Lokalen erlebt, die zweifellos zum Sieg beim Wet-T-Shirt-Contest geführt hätten. 

Der Wiener: Der zumeist in älteren Kaffeehäusern tätige Wiener wird seinem Namen insofern gerecht, als er einem bei jeder Bestellung, ja zumeist schon beim Betreten des Lokales, das Gefühl vermittelt, einen unmöglichen Aufwand zu bereiten. So wird schon ein kleines Soda Zitrone mit einem erschöpften Schnaufen zur Kenntnis genommen, die Frittatensuppe mit einem grantigen Zähneknirschen am Tisch platziert und Sonderwünsche mit einem verächtlichen Kopfschütteln quittiert. Nach einer schier endlosen Tragödie des Leidens und Durchhaltens hat der Wiener es schließlich geschafft: der Gast will gehen. Die Rechnung wird dankbar schnaubend auf den Tisch gefetzt. Aber Gnade dem, der auf das wohlverdiente Trinkgeld vergisst…

© Eiki