Montag, 16. Mai 2011

Wienerisch für Anfänger III

Nach längerer Lernpause geht es nun weiter mit der nächsten Lektion im Wienerischen. Heute wenden wir uns wieder einigen Floskeln zu, bei denen die Wahrscheinlichkeit der Fehlinterpretation hoch und die mit falscher Reaktion verbundenen Konsequenzen amüsant und zum Teil auch durchaus gefährlich sein können.

Loss mi oglaant: Hinter dieser auf den ersten Blick harmlos wirkenden Aussage vermutet der naive Nicht-Wiener, der die Aussage sprachbegabt auf „Lass‘ mich angelehnt“ eindeutscht, zunächst nichts Böses. Bitte Vorsicht! Ihr Gegenüber möchte in diesem Fall weder gegen eine Wand gelehnt, noch in eine ähnliche Schräglage gebracht werden. Mit der Aussage „Loss mi oglaant!“ will der Sprecher nämlich viel eher die Ablehnung seines Gegenübers zum Ausdruck bringen und von der Person in Ruhe gelassen werden. Sollte Sie ein Wiener also ums Anlehnen bitten: Flucht.

Wo kumman do hi? Ein Leser bat mich um Auflösung der Frage „Wo kumman do hi?“, mit welcher er sich bereits des Öfteren konfrontiert sah. Zuletzt beantwortete eine ältere Dame seinen „Warum haben die Geschäfte hier nicht auch am Sonntag geöffnet?“-Seufzer mit einem gepflegten und doch leicht aggressiven „Wo kumman do hi?“. Es ist zu beachten, dass die Dame mit dieser Aussage keinesfalls den Ort erfragen möchte, wie man vielleicht zunächst bei der hochdeutschen Übersetzung „Wo kommen wir denn da hin?“ vermuten möchte. Hier soll lediglich die Bestürzung und Abneigung ausgedrückt werden. „Wo kumman do hi?“ als Reaktion zeigt an, dass es nie so werden soll und wird besonders oft von Leuten gebraucht, die mindestens ebenso oft „früher war alles besser“ von sich geben. 

I hau mi o / do legts di nieda: Auch diese beiden bedeutungsverwandten Floskeln haben bei Nicht-Wienern schon das eine oder andere Mal für Verwirrung gesorgt. Vorerst könnte man nämlich hinter dem leicht ostasiatisch klingenden „i hau mi o“ eine masochistisch orientierte Handlung vermuten. Keine Sorge! Es handelt sich bloß um den Ausdruck von amüsiertem Erstaunen, niemand wird geschlagen oder haut sich gar selbst. Und bitte: auch hinter „do legts di nieda“ verbirgt sich Verwunderung und Erstaunen und keinesfalls eine Aufforderung sich flach auf den Boden zu legen! Weil: wo kumman do hi? 

© Eiki