Freitag, 25. März 2011

Menschen 6 - Aufzugfahrer

Wir alle fahren fast täglich mit dem Lift und das zumeist in Gesellschaft. Daher ist sie vielen bekannt, die stets leicht unangenehme Stimmung in Aufzügen, sobald jemand fremder mitfährt. Binnen Sekunden, sobald der Lift irgendwo zwischen Start und Ziel in einem anderen Stockwerk stehen bleibt und jemand zusteigt, wird sogar aus dem charismatischsten Top-Manager ein schüchtern und zerknittert zu Boden blickendes Schäfchen, das das Ende der Fahrt mit betretenem Schweigen fast Atem anhaltend herbeisehnt. Die Frage, warum so vielen Menschen Aufzugfahrten in unbekannter Gesellschaft oft so dermaßen unangenehm sind, kann ich leider nicht klären. Es sei denn, Sie fahren - wie ich - gelegentlich mit den folgenden Herrschaften.

Der junge Ungustl: Erwarten Sie bitte keinen Gruß vom wortlos aber immerhin saucool einsteigenden jungen Ungustl, der sich sofort lässig Kaugummi kauend an die Wand lehnt und Sie herablassend begutachtet. Die Beine leger überkreuzend wippt er im Takt seines viel zu laut eingestellten Ipods herum und gibt laute Kau-Knatsch-Geräusche von sich, die selbst musikalische Menschen zum erschütternden Kopfschütteln zwingen. Diesem Kopfschütteln begegnet er übrigens damit, sich schon kurz vor dem Ziel Erdgeschoss das „Bitte nicht rauchen!“-Schild ignorierend im Lift seine Tschick anzuzünden. Wozu auch aufs Freie warten und warum andere nicht mit dem Rauch zwangsbeglücken? Gerne fährt der junge Ungustl auch nur einen Stock rauf oder runter, saucool wie er halt nun mal ist, wäre jegliches Treppensteigen freilich zu viel verlangt.

Die Gestressten: Lustigerweise wohnen die Gestressten zumeist in den oberen Stockwerken. Dies dient hauptsächlich dem Zweck, dass sie dann jede beim Hinunterfahren zusteigende Person mit einem genervten Schnauben und einem hektischen Blick auf die Uhr begrüßen können. Ist man die zusteigende Person und betritt völlig blauäugig die Höhle des Löwen so kann man nur beten, dass der Lift kein weiteres Mal in einem anderen Stock zum Stehen kommt und noch jemand zusteigt. Denn dann scheint der leicht errötete Kopf der Gestressten schon fast der Explosion nahe und kann nur noch durch Faustballen gebändigt werden. Im Erdgeschoss angekommen schießen die Gestressten dann zumeist im 100m-Sprint-Style aus dem Lift und hinterlassen nichts außer einen sanften Fahrtwind und den Geruch des in der Hektik zu stark aufgetragenen Duftes. Übrigens sind es auch die Gestressten, die obwohl sie hören, dass gleich noch jemand kommt, der eventuell im Lift mitfahren möchte, fieberhaft auf den „Tür zu“-Knopf hämmern um ein Zusteigen allenfalls zu verhindern. Wohnhäuser in denen eben dieser „Tür zu“-Knopf fehlt sind in ihren Augen unter aller Sau. Aber keine Sorge, den Ärger darüber lassen sie dann einfach am nächsten Fahrgast raus.

Die Gestylte: Des Morgens wenn man mit der Gestylten im Lift fährt, kann man noch ihre letzten Schminkschritte im Spiegel mit verfolgen. Aber bitte unauffällig! Denn merkt sie erst mal, dass man sie im Spiegel begutachtet, schlägt sie mit einem arroganten Schnaufer die Augenlider weit auf und fragt einem völlig ohne Worte nur durch Schmollen ihres rot bepinselten Kirschmundes „Wos schaust so deppat?“. Bitte begehen Sie nie den Fehler und verweilen gerade vorm Spiegel, wenn die Gestylte mit ihrem sexy „Hii-ii!“ zusteigt! Konsequenzen reichen vom Unsanft-zur-Seite-bugsiert-werden bis zu einem „versehentlich“ zwischen Ihre zweite und dritte Zehe platzierten Stöckelschuh-Absatz. Selbiges gilt freilich auch bei der nachmittäglichen oder abendlichen Rückkehr, wenn Sie mit der Post (Bipa-Magazin, Active Beauty und der Woman) unterm Arm einsteigt. Dann ist das Makeup nämlich nicht mehr ganz so top, was ihre Laune selten hebt. Sehen Sie einfach zur Seite und tun Sie so, als wäre sie die schönste Frau der Welt, Ihre Füße werden es Ihnen danken.

Der Verwirrte: Vielleicht haben Sie auch schon mal eine Aufzugfahrt mit einem Verwirrten genossen. Erstens zeichnet sich der Verwirrte dadurch aus, dass er ständig den falschen Knopf drückt – wir alle wissen: falsch drücken = DIE Todsünde des Aufzugfahrens. Zusätzlich hält er auch oft den Aufzug unnötig lange in einem Stock auf, weil das Einkaufssackerl oder die lässig über den Unterarm geschwungene Jacke noch in den Lichtschranken hängt und die Türe daher nicht schließt. Hat die Fahrt dann erst einmal begonnen, so kommt er des Öfteren auf halbem Weg drauf, dass er eigentlich noch etwas in der Wohnung vergessen hat und muss daher noch einmal zurück. Es sei ihm gegönnt, aber wenn er dann beim verwirrten Aussteigen unbeholfen noch an irgendwelchen anderen Knöpfen ankommt, der Aufzug daher noch 2x stehen bleibt bzw. überhaupt plötzlich außer Betrieb ist, ja, dann werden auch ruhige Gemüter zu tobenden Wildkatzen.

Best Practice ist immer noch das freundliche Grüßen aber Ignorieren von Mitfahrenden. Konzentrieren Sie sich einfach auf irgendetwas zumeist völlig Unwichtiges wie beispielsweise Ihren Schlüsselbund. Dieser sieht zwar vermutlich seit einigen Jahren genau gleich aus, begutachten Sie ihn aber dennoch, als wäre er ein wundersames Objekt, das es zu erkunden gilt. Weitere Tipps sind das stille in der Tasche Kramen, am Handy herum tippen und im Notfall sogar trotz offensichtlich fehlenden Empfang das Telefonieren. Zusätzlich bietet es sich an, schon mit dem Öffnen von Briefen und dem Lesen der Post zu beginnen. Ja, solange es sich dabei nicht um das neue Bestellformular für den Sommerkatalog von „Sex for Fun“ handelt. Alles schon erlebt.

© Eiki