Freitag, 21. Oktober 2011

Menschen 12 - Öffi-Telefonierer


Den stets hohen Nachrichtenwert von Radiomeldungen beweist der heute gehörte Beitrag zum Thema „telefonierender Mann in Pariser U-Bahn kassiert Ohrfeige“.  Solch intellektuell tiefgehende Meldungen möchte ich natürlich sofort aufgreifen und untersuchen, wie watschengefährdet die heimischen Telefonierer in öffentlichen Verkehrsmitteln so sind.

Die Schweigsamen: Schwer zu finden und stark vom Aussterben bedroht kann man die schweigsamen zumeist männlichen Telefonierer nur unter genauester Beobachtung ausmachen. Grundsätzliche Charakteristika sind ein starrer Blick mit versteinerter Miene sowie eine Hand, die unauffällig ein Handy ans Ohr hält. Aufgrund der spärlichen Reaktion kann nicht ausgeschlossen werden, dass überhaupt niemand am anderen Ende der Leitung ist. Gerade in der kalten Jahreszeit darf auch vermutet werden, dass das Handy nur als Ohrwärmer verwendet wird. Wer leichtsinnig direkt neben einem Schweigsamen Platz nimmt und nicht erkennt, dass selbiger telefoniert, den kann es schon bei einer der wenigen Reaktionen des Schweigsamen reißen. Grundsätzlich sind Schweigsame aber sehr angenehme Zeitgenossen, zumindest für die nähere Umgebung. Am anderen Ende der Leitung hat man dafür das Gefühl eines Selbstgesprächs und wundert sich in regelmäßigen Abständen, ob der andere überhaupt noch dran ist. Deswegen ist der häufigste Satz der Schweigsamen auch: „Jaja, bin eh noch da.“ Watschenfaktor sehr gering.

Die Freisprecher: Komplett wertbefreites Sprechen in die Leere ohne zuordenbares Handy kann grundsätzlich einem Insassen einer psychiatrischen Anstalt oder einem Freisprecher zugeordnet werden. In jedem Fall empfiehlt es sich, von Menschen, die wild gestikulierend durch die Gegend reden, Abstand zu halten. Für nähere Erläuterungen zum Thema Freisprecher verweise ich auf den Eintrag „Sprechgarnituren“. Watschenfaktor allenfalls höher. Vor allem bei jenen Freisprechern, die die Einweisung in die Psychiatrie nur knapp abwenden konnten. 

Die Liebevollen: „Ich liebe dich, mein Schatzibärli! Knutschii!“. Endet ein Telefonat mit diesen oder ähnlichen Worten so ist die Wahrscheinlichkeit recht groß, dass es sich um einen Liebevollen handelt. Liebevolle schaffen es, sämtliche Wörter mit Verniedlichungen zu versehen und alles immer „ur supa“ und „soooo süüüüüß“ zu finden. Dass der Großteil der Liebevollen weiblichen Geschlechts ist, erscheint wenig verwunderlich. Natürlich wird nach dem Auflegen schon das nächste Opfer angerufen um auch das wieder mit Glück, Liebe und Verniedlichung zu überhäufen. Im besten Fall endet auch dieses Gespräch mit „Ich liebe dich, Hasibutz“. Dann wird’s bedenklich. Watschenfaktor geht rasant nach oben. 

Die Schreier: Schreier sind die mit Abstand unbeliebtesten Telefonierer und das aus gutem Grund: sie sprechen zumeist über völlig belanglose Themen und das in einer Lautstärke, die auch ruhige Gemüter in Wallung bringt. Dankenswerterweise ist die Kombination „Schreier“ und „Privatsphäre-Plauderer“ sehr gängig und man erfährt so alles, was man nie wissen wollte. Für alle, die in den Genuss kommen, mit einem Schreier telefonieren zu dürfen, empfiehlt es sich, das Telefon 10cm weit weg zu halten. Weiters sollte der Verzicht auf Ohrenputzen überdacht werden. Besonders belastend sind Schreier in öffentlichen Verkehrsmitteln in der Früh und in den Momenten, wo man einfach nur seine Ruhe haben möchte.  Nach dem Motto „man hats nicht leicht, aber leicht hats einen“, steigt mit ziemlicher Sicherheit genau dann ein Schreier ein und informiert alle detailverliebt über sein mehr oder weniger bewegtes Leben. Ob Schreier versuchen, die Entfernung zum Gesprächspartner mit Lautstärke zu überbrücken, ist fraglich. Der gefährlich hohe Watschenfaktor ist ihnen wie am Beispiel der Pariser U-Bahn allerdings sicher.

Abschließend sei gesagt, dass natürlich keiner wirklich eine Watschen verdient hätte, weil Gewalt ist böse und so. Für den frommen Wunsch, dass der Akku bald leer ist, kommt man aber nicht in die Hölle. Hoffentlich. 

© Eiki